Pai & Chiang Rai

Salut ihr Lieben,


es ist wieder Sonntag! Um genau zu sein, ist heute Sonntag, der 11.02.2024. Zumindest laut "unserer" Zeitrechnung, also dem gregorianischen Kalender. Der buddhistischen Zeitrechnung zufolge befinden wir uns im Jahr 2568, die genau in dem Moment beginnt, in dem der Buddha Siddhartha Gautama das sogenannte Parinirvana erreichte - einfacher gesagt: als er starb. Dessen Todesjahr ist in Südostasien häufig mit 544 vor Christus festgelegt und ergibt somit das Jahr 0. Beim Surfen im (thailändischen) Wlan wird uns daher das Jahr 2568 angezeigt und auch das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Verpackungen orientiert sich daran. Eine schöne Erinnerung daran, dass "unsere" Weltanschauung nicht immer automatisch für die ganze Welt gilt - auch wenn man das manchmal vergisst.


Vom Philosophischen nun wieder zurück in die Realität! Lasst uns gemeinsam einen Blick auf unsere letzte Woche wagen. Nachdem wir unsere letzte Woche in Chiang Mai genossen hatten, sollten nun zwei neue Destinationen auf uns warten: Pai und Chaing Rai - viel Freude beim Lesen.

Pai: Eine wilde Anfahrt & die ersten Eindrücke


Als wir unser Ticket für die Fahrt nach Pai buchten, wurde uns von unserem Busunternehmen dringend die Einnahme von Anti-Reiseübelkeit-Tabletten geraten. Wir wissen bis heute nicht, ob wegen der 762 (!) Kurven, die die Fahrt von Chiang Mai nach Pai beinhaltet, oder wegen unseres verrückten Minivan-Fahrers. Wie ein Geisteskranker raste der nämlich mehrspurig über die Berge und setzte uns nach 2 1/2 Stunden statt laut Fahrplan nach 4 Stunden an unserem Ankunftsort ab. Nein, da es sich um eine bekanntlich ungemütliche Strecke handelt, liegen am Straßenrand zahlreiche Kotztüten bereit und es gibt sogar extra Kotz-Haltestellen.


So, für welchen Ort haben wir diese Strapazen auf uns genommen? Die kleine Stadt Pai liegt in einem der schönsten Gebirgstäler von Thailand. Inmitten von schönen Berglandschaften liegt das 3000-Seelen-Örtchen zwischen dichten dunklen Regenwäldern und zahlreichen Flüssen. Klingt romantisch oder? Hehe, reingefallen auf unseren selektiven Journalismus. Was nämlich auch zur Wahrheit gehört: Pai ist ehemalig als Hippie-Dorf bekannt geworden und heute beliebter Party-Pilgerort. Passend dazu verkauft jeder 2. Laden Drogen - ob als Joint, Brownie oder Gummibärchen. Thailand hat Cannabis übrigens im Juni 2022 legalisiert. Außerdem finden mehrfach wöchentlich "Tipsy Tubing Veranstaltungen" statt. Mehr als 300 Feierwütige schwimmen dazu ab 10 Uhr morgens in großen Schwimmreifen flussabwärts und machen an verschiedenen Stationen halt, an denen DJs und alkoholische Kaltgetränke auf sie warten. Abends um 19 Uhr wanken die bunt angemalten Gestalten dann durch die Straßen auf der Suche nach dem nächsten Getränk, ihren Freunden oder einfach nur einem Bett. Es wartete also doch eher eine bunte Mischung aus Idylle und Verrücktheit und auf uns.


Unsere Unterkunft hatten wir daher cleverer Weise ca. einen Kilometer außerhalb des Stadtkerns gewählt: Es handelte sich um einen kleinen Bungalow inmitten von Reisfeldern, wo uns ein flauschiger Hund, süße Katzen und eine freundlich kauende Haus-Kuh begrüßten. Außerdem hatten wir einen tollen Blick auf den "Big Buddha", der am späten Nachmittag im stimmungsvollen Licht das Pai-Tal überblickt.

Pai: Walking Street & Muay Thai


Jeden Abend machten wir uns auf den Weg in die Walking Street. Dabei handelt es sich um einen täglich zwischen 16 und 23 Uhr stattfindenden, atmosphärischen Nachtmarkt, der eine große Auswahl an Streetfood, typisch touristischen Waren und Kunsthandwerk bereit hält. Mobile Händler, kleine Shops und Boutiquen, Bars, Massagesalons, Tourenanbieter und Restaurants bieten hier für jeden Geschmack das passende Abendprogramm.


Und es stand etwas Besonderes auf dem Sportprogramm: Neben dem "normalen" Fitnessstudiobesuch von Pierre buchte sich Patty für einen Morgen einen Platz zum Thaiboxen - auch als Muay Thai bekannt. Es handelt sich dabei um den Nationalsport Thailands und ist eine Kampfkunst, die im 20. Jahrhundert weltweite Verbreitung fand. In einem zur Straße hin geöffneten Boxstudio warteten 3 Trainer und 1 Trainerin am nächsten Morgen auf die ungefähr 15 Teilnehmenden. Neben Fitnessübungen zur Steigerung der Kondition (z.B. Seilspringen), verbrachte Patty die nächsten 1 1/2 Stunden also mit gegnerischen Sandsäcken und den Trainern als Sparrings-Partnern, an denen die neu erlernten Schläge und Kicks trainiert werden konnten. Stilistisch auffällige Merkmale des Muay Thai sind neben Fausthieben die angewendeten Ellenbogen- und Knietechniken. Vor allem charakteristisch ist der Kick mit dem blanken Schienbein, der meist auf den Oberschenkel, Rippenbereich oder Kopf des Gegenübers gerichtet ist. Aufgrund des hohen Verletzungsrisikos wird Muay Thai als eine der härtesten Kampfsportarten der Welt bezeichnet.

Pai: Bambusbrücke, Canyon & heiße Quellen


Wir nutzen unseren vollen Tag mit einer Pai-Umlands-Entdeckungstour, für die wir morgens einen Roller mieteten.  Gestartet haben wir mit einem Besuch der Bambusbrücke / Kho Ku So Bamboo Bridge. Auf einer Länge von etwa einem Kilometer schlängelt sich eine aufwändige Steg-Konstruktion aus knarzendem Bambus mitten durch die Reisfelder und bietet allerlei liebevoll aufgebaute Fotomotive wie den Herzchengang oder einige Schaukeln. Er führt zu einem kleinen Tempel, der allerdings ziemlich heruntergekommen wirkt und nicht besonders sehenswert ist. Auf gleichem Weg geht es über den Bambussteg zurück. Aktuell ist Trockenzeit, sodass die Reisfelder abgeerntet sind und zum größten Teil brach liegen. In der Regenzeit, von Ende Juni bis Anfang Oktober, leuchten sie jedoch in einem satten Grün. Wir können uns daher gut vorstellen, dass das Erlebnis dann noch viel schöner ist. Allerdings sind dann wahrscheinlich auch deutlich mehr Menschen unterwegs - als wir da waren, war es mal wieder fast menschenleer.


Zurück an unserem Roller angekommen, kamen wir auf eine tolle Idee: Patty könne ja ausparken. Auf Schottersteinen. Mit Sandalen an. Ohne vorher jemals als Fahrerin auf einem Roller gesessen zu haben. Was meint ihr, wie lief die nachfolgende Szene ab?


a) Patty hat Zurück in die Zukunft gespielt und hat sich und ihren DeLorian  glorreich durch Umkippen zum Stehen gebracht?

b) Patty hat einen Raketen-Kickstart à la Mario Kart geübt und den Versuch galant im Kiesbett beendet?

c) Patty hat einen neuen Job als Stunt-Woman und hat ihre Fähigkeiten durch Bremsen mit dem Gesicht unter Beweis gestellt?


Wenn man ehrlich ist, sind alle 3 Optionen durchaus eine mögliche Beschreibung der Situation. Außer ein paar Schrammen, lila-blauen Zehen und einem kaputten Smartphone Display ist aber glücklicherweise nichts weiter passiert, sodass wir nach ein paar Schreckens-Tränchen weiterfuhren. Unser Fazit: "Nur wer eine gebrochene Zehe mitbringt, war wirklich außerhalb Europas."


Unsere nächste Station war der Pai Canyon, der auch Death Canyon (Schlucht des Todes) genannt wird. Gut, also wir haben weder einen gigantischen Grand Canyon - wie er in manchen Reiseberichten dargestellt wird - noch Tote gesehen. Nichtsdestotrotz waren die rotsandigen Felsschluchten, die 30 Meter tiefen Felsabbrüche und das grün-bewaldetes Tal einen Besuch wert. So humpelten Patty und der als Gehstock verkleidete Pierre über die schmalen Wege auf den Graten der massiven Felswände bis wir uns auf den Weg zu unserer letzten Station, den heißen Quellen, aufmachten.


Die Tha Pai Hot Springs liegen inmitten eines Waldes und bestehen aus einer Reihe natürlicher Becken mit Temperaturen zwischen lauwarm und extrem heiß. Die Wassertemperatur variiert von Becken zu Becken und erreicht in der Nähe der Quelle bis zu 80 Grad Celsius. Im sogenannten Höllenbecken sind wir erstaunlicherweise nicht baden gegangen, sondern "weiter unten". Wenn das Wasser nämlich flussabwärts fließt, kühlt es auf eine angenehme Temperatur ab, die sich perfekt zum Baden eignet. Wir trauten uns dann bei 32 Grad ins Wasser, da uns bei höheren Temperaturen vermutlich die Füße abgefallen wären. Dem mineralreichen Wasser der heißen Quellen werden therapeutische Eigenschaften zugeschrieben, die Schmerzen lindern, die Durchblutung verbessern und die Haut beruhigen sollen. Nach dem Patty-Auspark-Roller-Manöver also ein idealer Abschluss. 


Und da ihr euch nach dem Pai-Bericht nur eine Sache fragt, hier die Antwort: Wir als wahre Spießer haben sowohl die Tipsy Tubing Exzesse als auch Cannabis Partys ausgelassen. Sorry!

Chiang Rai


Nach 3 Nächten ging es dann für uns weiter zu unserer letzten Nord-Thailand Etappe. Erfreulicherweise gibt es nur einen Weg von und nach Pai, sodass wir den eingangs beschriebenen, kurvigen Höllenritt nochmal hinter uns bringen durften, bevor wir nach insgesamt 7 1/2 Stunden Minivan- und Busfahrten Chiang Rai  erreichten.


Und so viel vorab: Wir befinden uns in der für uns wohl eintönigsten Stadt, die wir bislang bereist haben. Versteht uns nicht falsch: Es ist nicht furchtbar, aber auch nicht besonders schön. Natürlich gibt es auch hier süße Ecken wie z.B. den goldenen Glockenturm (Clock Tower) der Stadt, aber ansonsten handelt es sich um eine recht graue, wenig atmosphärische Stadt. Die Attraktionen liegen weit voneinander entfernt bzw. außerhalb der Stadt, die Auswahl an Cafés/Restaurants ist recht spärlich und die Herzlichkeit ist hier im Durchschnitt (zumindest gefühlt!) etwas niedriger als an unseren bisherigen Stationen. Erschwerend kommt dazu, dass Pierre nach unserem ersten (sehr ausgiebigen) Stadtspaziergang in der prallen Sonne vermutlich an den zwei darauffolgenden Tagen an den Folgen eines Sonnenstichs knabberte, sodass er sich größtenteils in unserem Airbnb Appartment aufhielt. Und trotzdem haben wir uns eine schöne Zeit gemacht und haben einige Highlights erlebt!


Nachtbasar (Night Bazaar)


Zum Glück erwartete uns auch hier wieder zentrumsnah ein kleiner Nachtbasar, den wir fast jeden Abend wegen seiner Köstlichkeiten und der angenehmen Live-Musik besuchten. Eines Abends setzen sich Frank und Rena, ein weltreisendes Ehepaar aus Hannover, zu uns. Den beiden begegneten wir seit unserer Pai-Anreise immer wieder durch Zufall, sodass wir nun beschlossen, uns bei ein bis zwei Bierchen über unsere Reisepläne und bisherigen Erfahrungen auszutauschen.


Kulinarische Notiz am Rande: Falls ihr mal gefragt werden solltet, ob ihr auf eure Crepes neben Schokosauce auch gesüßte Kondensmilch haben wollt, antwortet einfach mit "nein" - war eine ganz schön süß-zuckrig-klebrige Angelegenheit (aber lecker!)

Unsere Chiang Rai Highlights


Thai-Kochkurs


Haben wir schon erwähnt, dass wir in jedem Land, das wir bereisen, einen Kochkurs machen wollen? Liebe (und Kultur) geht nämlich bekanntlich durch den Magen! Und so hatten wir den "Kochkurs bei Ann" gebucht. Inkludiert waren ein gemeinsamer Einkauf auf dem lokalen Markt, das gemeinsame Kochen und der Shuttle Service von und zu der Unterkunft. Da Pierre leider ausfiel, hat Patty die kulinarische Reise jedoch allein angetreten. Angenehmerweise waren jedoch sowohl die Gastgeberin Ann als auch der mitkochende Fabio aus Mailand unglaublich lustig und aufgeschlossen, sodass es ein toller Abend wurde. Und so haben wir in den gemeinsamen 4 1/2 Stunden eine Tom Kha (Kokossuppe), ein grünes Curry, ein Pad Thai (gebratene Thai-Nudeln) und Mango Sticky Reis gezaubert. Wer auf der Suche nach einem authentischen und liebevollen Kochkurs ist, der muss unbedingt zu Ann gehen!


Der Weiße Tempel (Wat Rong Khun)


Irgendwie fehlen uns die Worte. So fasziniert sind wir auch noch Stunden nach unserem Besuch des Wat Rong Khun. Es handelt sich hierbei um das private Kunstwerk des thailändischen Künstlers Chalermchai Kositpipat (eingängiger Name oder?) im Stile einer buddhistischen Tempelanlage. Die Bauarbeiten hierzu begannen im Jahr 1997 und wir haben hier quasi ein Stuttgart-21 oder einen Berliner Flughafen vor uns, denn es sind gerade mal 20 % der geplanten Anlage bislang gebaut. Seine komplette Pracht soll der Kumpel wohl erst 2070 erreichen. Wir brauchen also genug Freiwillige unter euch, damit nun alle 10 Jahre jemand dort vorbei fährt und schaut, was sich alles getan hat.


Der Besuch der Anlage folgt einer klar festgelegten Route: Zunächst wandert man über die Brücke der Wiedergeburt. Links und rechts ragen Hände und Köpfe aus der Unterwelt empor. Das Überqueren der Brücke symbolisiert die Abkehr von den weltlichen Gelüsten, deshalb geht es hier auch nur in eine Richtung. Der Weg führt schnurgerade zum Himmelstor. Dahinter wartet das Hauptgebäude, der sogenannte Ubosot. Im Inneren des Ubosot erwartet den Besucher ein ganz neuer Anblick. Während draußen alles weiß strahlt, sind die Wände der Kapelle bunt bemalt. Jeder Zentimeter der Wandmalereien offenbart eine neue Überraschung: Zeichnungen von George Bush und Osama Bin Laden, Michael Jackson, der den Moonwalk macht, und sogar Hello Kitty haben ihren Platz an der Wand gefunden. Im Ubosot ist das Fotografieren leider verboten, sodass es hier leider heute kein Foto für euch gibt.


PS: Ob wir uns vielleicht nicht an die Einbahnstraßen-Regelung gehalten haben, weil wir so fasziniert waren und alles nochmal anschauen mussten? Vielleicht. Ob wir nun vom Pech verfolgt werden? Das wird sich zeigen!


PPS: Trotz der Tatsache, dass wir noch vor der Öffnungszeit am Tempel waren, haben wir zum ersten Mal wahre Horden an Touristen getroffen. Gruselig!

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