Hallo ihr Lieben,
heute ist Dienstag, der 08.10.2024 und während wir kürzlich noch mit einem Caipirinha in der Hand durch die Straßen von Rio getanzt sind, befinden wir uns nun mittlerweile in unserem nächsten Land: Peru. Genauer gesagt in Cusco, 3.400 Meter über dem Meeresspiegel, wo schon das Binden der Schuhe einer sportlichen Höchstleistung gleicht. Wieso? Willkommen in der Welt des "Soroche", der Höhenkrankheit. Hier oben ist die Luft nämlich so dünn, dass sich der Körper erst mal denkt: "Wo ist der verdammte Sauerstoff?" Die typischen Symptome? Kopfschmerzen, Schwindel und der dringende Wunsch, ein Lama zu reiten, weil das Laufen einfach zu anstrengend ist. Und so lautet die Empfehlung: erstmal akklimatisieren und in den ersten Tagen nicht allzu viel machen, um sich an den Irrsinn zu gewöhnen. Wir haben zwar glücklicherweise keine starken Symptome festgestellt, aber beim Treppensteigen fühlten wir uns wie 179 Jährige, die einen Marathon laufen. Das sollte uns aber zum Glück nicht von unseren wirklich großartigen Tagen in und um Cusco abhalten! Packt euch also euer Sauerstoffzelt ein und begleitet uns auf unserer Reise durch die letzten Tage. Ach, und wer dem Caipi aus Brasilien hinterhertrauert: Natürlich hat auch Peru ein alkoholisches Nationalgetränk und zwar den Pisco Sour. Wer zum Lesen unseres Blogs also Alkohol braucht, der mixe jetzt bitte einen guten Schluck Pisco mit Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar und serviere sich das Ganze mit Eis. Viel Spaß beim Trinken und Lesen!
In Cusco, um Cusco und um Cusco herum
Inmitten der Anden liegt die Stadt Cusco, die mit ihren 112.000 Einwohnern als eine der wichtigsten Touristenzentren Perus gilt. Wann genau die Stadt gegründet wurde, kann man aufgrund fehlender Belege nicht sagen. Archäologen vermuten, dass sie im 11. oder 12. Jahrhundert gegründet und im 13. Jahrhundert zur Inka-Hauptstadt ausgebaut wurde. Das bringt uns auch schon zum ersten Mysterium, dem wir auf den Grund gehen mussten: Im Zusammenhang mit Lateinamerika ist nämlich immer wieder die Rede von den indigenen Hochkulturen der Inka, Maya und Azteken, die in Südamerika herrschten, bevor die spanischen Kolonialisten im 15. und 16. Jahrhundert die Region eroberten. Und da wir irgendwie keine Ahnung von den Unterschieden hatten, mussten wir erstmal recherchieren.
Wir stellten dabei schnell fest: die Völker lebten zu ganz unterschiedlichen Zeiten und regierten an unterschiedlichen Orten – upsi, haha. Die älteste der drei Kulturen sind die Maya, deren Ära bereits ca. 1.000 v. Chr. begann. Sie lebten auf dem Gebiet der heutigen Länder Mexiko, Belize, Guatemala, Honduras und El Salvador. Schätzungen zufolge lebten zu Hochzeiten bis zu 15 Millionen Maya. Der Beginn der Ära der Inka wird um das Jahr 1.200 datiert – also deeutlich später. Ihr riesiges Reich erstreckte sich über die gesamte Länge der Anden: Von Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien bis in den Norden Chiles und Argentiniens. Und so schufen die Inka das größte Reich, das es jemals in Südamerika gab, denn sie herrschten zeitweise über 250 Völker und etwa 12 Millionen Menschen. Die Azteken wiederum regierten im 15. und 16. Jahrhundert große Teile Mexikos. Zu Hochzeiten lebten etwa 25 Millionen Menschen im Aztekenreich. Wieder was gelernt, hm?
So, Cusco war also einst die Hauptstadt des riesigen Inka-Reiches. Kaum vorstellbar, dass sie von dort aus ein Straßennetzwerk von 40.000 Kilometern über Berge, durch Dschungel und Wüsten aufbauten oder? Der Name stammt übrigens aus der Quechua Sprache und bedeutet übersetzt „Nabel der Welt“, denn bei einem Blick auf die Landkarte liegt Cusco ziemlich genau im Zentrum des Inka-Reiches. Wie sie das ohne Google Maps gewusst haben? Wir. Haben. Keine. Ahnung.
Nach knapp 300 Jahren war jedoch wieder Schluss mit lustig. Ihr ahnt es schon: Mit dem Einmarsch der Spanier 1533 begann nämlich der Niedergang der Inka und somit auch mit der mächtigen Stadt. Cusco wurde geplündert und viele Inkatempel abgerissen, um Kirchen und andere Gebäude nach den Vorstellungen der Eroberer zu bauen. Und so ist Cusco heute eine wilde Mischung aus Inka-Ruinen und spanischer Kolonialarchitektur.
Unser Liebesbrief an Cusco
Bereits als wir mit dem Taxi zu unserer Unterkunft fuhren, war uns klar: wir finden die Stadt wunderschön. Untergekommen sind wir in einer Wohnung im Künstlerviertel San Blas, die in unseren Augen schönste Gegend Cuscos. Die malerischen weißen Häuser mit steinerner Basis sind typisch für das Stadtbild und viele kleine Cafés, Restaurants, Boutiquen und Kunstgalerien laden zum Verweilen ein. Die Nachbarschaft ist ruhig, jedoch recht touristisch und bietet wegen ihrer Lage am Hang einige tolle Aussichtspunkte über die Stadt. Die ersten zwei Tage ließen wir es aber erstmal gaaanz gemütlich angehen, um uns an die Höhe zu gewöhnen. Passenderweise konnte Pierre dann auch endlich seine brasilianische Männergrippe auskurieren und sein neues, in Rio gestochenes, Tattoo verheilen lassen. Und so ließen wir uns direkt nach unserer Ankunft einfach „nur“ durch die kleinen Gassen treiben. Im Zentrum von Cusco kann man sich ohne weiteres (auch abends) zu Fuß bewegen. Die Entfernungen sind nicht so groß und es herrscht ein buntes, geselliges Treiben. Aufpassen muss man nur bei den teilweise sehr engen und steilen Straßen: die sind teilweise so schmal, dass man sich in einen Hauseingang stellen muss, damit ein Auto vorbei fahren kann.
Alles in Allem haben die Straßen von Cusco für uns irgendwie einen ganz besonderen Zauber, denn wir fühlten uns wie auf einer wilden Zeitreise. Auf den ersten Blick fallen direkt die maximal 2-stöckigen, kolonialen Gebäude mit ihren bunten Balkonen und Terrakottadächern auf. Da die Altstadt seit 1983 ein UNESCO-Weltkulturerbe ist, müssen die Gebäude übrigens so aussehen, als seien sie aus der Kolonialzeit – auch wenn sie innen modernisiert sind. Das bedeutet, dass Fassaden, Dächer und architektonische Details den traditionellen Stil beibehalten müssen, oft mit weiß verputzten Wänden und den charakteristischen roten Terrakotta-Dachziegeln. Und so dürfen auch die Balkone tatsächlich nur in bestimmten Farben gestrichen werden, um das historische Stadtbild zu bewahren: typischerweise sieht man sie in dunklen Tönen wie dunkelblau, grün oder braun, manchmal auch in gedecktem rot. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass das Fundament vieler Gebäude jedoch ganz anders aussieht, als ihre Aufbauten: und tatsächlich, es handelt sich um alte Inka-Mauern aus perfekt geformten Steinen. Die Inka-Architektur gilt als eine der beeindruckendsten Leistungen der damalige Welt, und sie bleibt bis heute ein faszinierendes Rätsel für Archäologen und Ingenieure. Vor allem ihre meisterhafte Technik, massive Steinblöcke ohne Mörtel so präzise zu fügen, dass kein Blatt Papier zwischen sie passt, hat den Inkas einen legendären Ruf als Baumeister eingebracht. Eines der markantesten Merkmale der Inka-Architektur ist ihre Verwendung von Cyclopean Walls – massiven Steinmauern, die aus unterschiedlich geformten Steinen bestehen, die wie ein komplexes Puzzle perfekt ineinander greifen. Die Steine wurden in unregelmäßigen, polygonalen Formen bearbeitet und dabei so genau geschnitten und gefügt, dass die Mauern Jahrhunderte und sogar Erdbeben überdauerten. Bob, der Baumeister, hätte es wahrscheinlich kaum besser machen können. Und so spazierten wir staunend an dem beeindruckenden Mix aus mehreren Epochen vorbei und vergaßen ab und zu, dass wir uns im Jahr 2024 befinden.
PS: Wer (so wie wir) dachte, dass die auf Bild Numero 1 zu sehende Flagge eine LGBTQ-Regenbogen-Fahne ist, liegt leider Zonk-mäßig falsch: Es handelt sich nämlich stattdessen um die Stadtflagge von Cusco.
Lama oder Alpaka – das ist hier die Frage
Wenn wir so an Peru denken, kommen uns direkt Bilder von Lamas und Alpakas in den Kopf. Relativ schnell stellten wir uns jedoch auch hier die Frage: wer ist jetzt eigentlich wer? Unsere Recherche ergab: Lamas sind die coolen, großen Kerlchen – sie haben oft diese „Mir-doch-egal“-Attitüde und sind eher zum Tragen von Lasten da. Sie können ziemlich groß werden (bis zu 1,80 Meter) und haben lange Hälse, die sie immer ein bisschen aristokratisch wirken lassen. Alpakas dagegen sind die kleineren, süßen Schnuckis, die hauptsächlich für ihre superweiche Wolle gezüchtet werden. Sie sind knuffiger, kompakter und haben diesen „Kann-mir-jemand-meine-Frisur-erklären?“-Gesichtsausdruck. Also, grob gesagt: Lamas tragen dein Gepäck – Alpakas stricken dir einen Pullover 😄
Und tatsächlich: Sobald man durch die Straßen von Cusco läuft, wird man direkt mit dem peruanischen Klischee konfrontiert: Aber nicht, weil es in Cusco so viele Grünflächen gibt und die süßen Tieren dort fröhlich umher springen, nee. Im touristischen Zentrum trafen wir auf viele traditionell gekleidete Frauen, die die Tiere entweder an kurzen Leinen führten oder in einer Tragetasche trugen – zumindest die Jungtiere. Bunte Trachten und flauschige Tiere sind natürlich auch ein sensationelles Fotomotiv – und genau für diesen Zweck sind die Ladies auch auf der Straße und bieten Fotos mit ihnen gegen Geld an. Dass das Ganze nicht artgerecht sein kann, war uns recht schnell klar und so verzichteten wir auf ein solches Foto.
An unserem dritten Tag nahmen wir an einer nur so medium guten Free Walking Tour teil. Während Patty hier einer zum Rassismus neigenden Teilnehmerin argumentativ die Stirn bot, ließ sich Pierre von dem leider schwer verständlichen Englisch unseres Guides berieseln. Immerhin sind wir während der Tour auf Nachfrage einer „lustigen“ Touristenfalle in Bezug auf die Tiere auf die Schliche gekommen: Die „Alpaka bzw. Lama“-Jungtiere sind oft auch einfach „nur“ junge Schafe, da diese günstiger im Einkauf sind und die dusseligen Besuchenden den Unterschied in ihrer Euphorie sowieso nicht feststellen.
Unser Ausflug zur sexy Frau und dem weißen Christus
An Tag 4 hatten wir dann - zumindest gefühlt - wieder genug Sauerstoff im Blut und so wagten wir den Aufstieg zumm Sacsayhuamán, einer beeindruckenden Festung oberhalb von Cusco, die aussieht, als hätten die Inkas eine riesige Tetris-Runde gespielt – und gewonnen. Die Steine dort wiegen bis zu 200 Tonnen, und trotzdem haben sie diese perfekt übereinander gestapelt. Eine der größten Fragen bleibt, wie die Inkas diese massiven Steine überhaupt bearbeitet und transportiert haben, vor allem, da sie weder Eisenwerkzeuge noch das Rad nutzten. Es gibt verschiedene Theorien, aber die genaue Technik ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Historiker vermuten, dass sie Werkzeuge aus Bronze und Kupfer verwendeten, um die Steine zu formen. Es wird angenommen, dass sie weiche Gesteinsarten wie Kalkstein oder Granit bearbeiteten, indem sie sie immer wieder schlugen und glätteten, möglicherweise unter Einsatz von Wasser und Sand, um die Oberflächen so glatt zu machen. Was das Transportieren der Steine angeht, spekulieren Forscher, dass die Inkas Rollen aus Holz oder Rampen gebaut haben könnten, um die riesigen Steine von den Steinbrüchen zu ihren Bauplätzen zu bringen. Es gibt jedoch auch Theorien, dass sie Hebel und Seile nutzten, um die Steine zu bewegen. Wir wiederum vermuten, dass sie einfach sehr starke Lamas hatten. Diese Vermutung wurde gestützt durch den Fakt, dass wir direkt am Eingang von den flauschigen und (in Freiheit durchaus verspielten) Tieren begrüßt wurden. Als wir also so nach Luft schnappten, beobachteten wir ein süßes Exemplar, wie es sich fröhlich im Sand wälzte und uns so auf seine eigene Art und Weise begrüßte. Die nächsten 2 ½ Stunden liefen wir dann staunend durch die alten Ruinen. Übrigens kann niemand so richtig beantworten, ob es sich bei Sacsayhuamán um einen Schrein oder eine Festung handelte. Wie dem auch sei: das Areal ist fast 400 Meter lang und beherbergt einige der größten Steine aller Inka-Ausgrabungsstätten. Der Name bedeutet in Quechua “gesättigter Falke”, aber vor allem von nordamerikanischen Touristen wird die Sehenswürdigkeit aufgrund ihres schwer auszusprechenden Namens scherzhaft „Sexy Woman“ genannt.
Das Zentrum ist eine große offene Ebene, über deren gesamte Länge sich eine 3-stöckige Wand aus riesigen Granitsteinen zieht, von denen einige bis 9 Meter hoch sind und im Zickzack angeordnet sind. Aber Sacsayhuamán ist nicht nur was für Geschichtsnerds wie Patty. Es gibt hier auch natürliche Steinrutschen. Die glatten, polierten Felsen sind natürlich entstanden und wurden von Generationen von Besuchern ausprobiert – natürlich auch von uns! Ein weiteres Highlight ist der weitläufige Platz in der Mitte der Anlage, der mit seinen kreisförmigen Strukturen an ein Mini-Kolosseum erinnert. Hier stellst du dir unwillkürlich vor, wie einst Inka-Krieger trainierten, religiöse Zeremonien stattfanden oder vielleicht auch sportliche Wettkämpfe ausgetragen wurden. Heute ist der Platz zwar leer, aber es gibt ihm eine gewisse majestätische Atmosphäre, als würdest du gleich einer wichtigen Prozession oder einem Inka-Turnier beiwohnen. Während man da steht, fühlt sich der Platz beinahe zu groß und zu imposant für seine Umgebung an. Tja, und wieder hatten wir das Gefühl, als würden wir einen Schritt aus der modernen Welt heraus und direkt in die Vergangenheit machen. Jeder Stein, jede zerbrochene Mauer und jeder Durchgang hat etwas Zeitloses an sich – fast, als könnten die Steine Geschichten erzählen, wenn man nur lange genug lauscht. Wir stellen uns vor, wie es hier wohl war, als die Inkas durch die engen Gassen gingen, ihre täglichen Rituale vollzogen und die majestätischen Berge, die sie umgeben, als heilig verehrten. Man spürt förmlich die Energie der Vergangenheit, die in der Luft hängt. Und während wir über die unebenen Pfade gehen, fragen wir uns, wie es wohl war, an einem Ort zu leben, wo Berge, Sonne und Sterne die Götter waren, und wo die Bauwerke nicht nur Schutz boten, sondern auch eine tiefe spirituelle Verbindung zur Natur darstellten.
Als wir da so vor uns hin philosophierten, sprach uns plötzlich der gut gelaunte Torsten aus der Pfalz an und wir kamen ins Gespräch. Und so hatten wir dann erfreulicherweise für unser zweites Ziel an diesem Tag einen lustigen Begleiter. Denn hoch über dem kolonialen Zentrum von Cusco steht noch ein weiteres Wahrzeichen der Stadt – der Cristo Blanco. Die weiße Jesus-Statue, etwa 8 Meter hoch, war ein Geschenk arabischer Palästinenser, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Cusco Zuflucht suchten. Na, habt ihr auch ein Flashback? Hmh, wir auch – das Ding hat nämlich durchaus Ähnlichkeit mit dem Gerät in Rio de Janeiro – nur eben deutlich kleiner. Und so machten wir uns - nur mäßig beeindruckt - wieder auf den Weg ins Stadtzentrum. Da wir uns jedoch noch nicht von unserem neuen Amigo trennen wollten, gingen wir noch einen gemeinsamen Tee trinken und tauschten weitere, wilde Reisegeschichten aus.
Das Wichtigste zum Schluss: Wir haben "JA" gesagt...
...zum Essen von Meerschweinchen! Die peruanische Küche ist nämlich dafür bekannt, dass die bei uns als Haustiere gehaltenen haarigen Schweinchen auf der Speisekarte stehen. Natürlich mussten wir Cuy, wie es hier heißt, auch probieren. Statt uns jedoch von einem kleinen, pelzigen Kumpel mit Knopfaugen anschauen zu lassen, landete unser Exemplar zum Glück ohne Kopf und Gliedmaßen auf dem Teller. Und so sah es aus wie eine etwas zu knusprig geratene Variante von einem Brathähnchen und schmeckte richtig (!) gut. Wie wir den Geschmack beschreiben würden? Im Endeffekt eine exotische Mischung aus Hühnchen und Kaninchen. Lecker, lecker, mjammjammjam. Ach, Alpaka gab es übrigens passend dazu als Vorspeise. Wir haben also kulinarisch richtig was gewagt... oder so!
Adiós Amigos!
Und damit machen wir den Sack für heute zu und vertagen unsere Ausflüge ins Umland von Cusco auf den nächsten Eintrag - wir wollen euch ja schließlich bei Laune halten. Und damit senden wir euch bunte, peruanische Grüße aus Südamerika.
Du möchtest mehr erfahren? Hier geht's zu weiteren Beiträgen: